Nach etwas über 180 Minuten ist es Gewissheit, dass Arsenal wieder einmal am FC Bayern scheitert und nicht ins Halbfinale der Champions League einzieht. Aufgrund der starken Sympathien meinerseits gegenüber dem Arsenal Football Club werde ich diesen Artikel nicht ohne einen gewissen Bias schreiben können. Dennoch möchte ich hier eine möglichst analytische Zusammenfassung zu einer von vielen taktischen und mentalen Nuancen geprägten Begegnung abgeben.
Im Hinspiel ließ Arsenal den deutschen Rekordmeister, trotz eines dominanten Auftritts, aufgrund individueller Fehler und Schwierigkeiten besonders auf der eigenen linken Seite ins Spiel kommen. Die eigentlichen Feldvorteile konnten deshalb nicht in einen Sieg umgemünzt werden. Arsenal musste also diese Fehler abstellen, gleichzeitig verbot es sich mit einem zu passiven Ansatz in die Partie zu gehen. Mikel Arteta dürfte froh gewesen sein, dass Tomiyasu für dieses Spiel wieder zur Verfügung stand, da weder Kiwior noch Zinchenko im ersten Aufeinandertreffen auf der linken Abwehrseite überzeugen konnten. Für Thomas Tuchel hingegen gestaltete sich diese Angelegenheit schon einfacher. Die Bayern sind gut damit gefahren, sich auf defensive Kompaktheit zu konzentrieren und darauf zu bauen, situativ die eigene individuelle Klasse in der Offensive auszuspielen. Bedingt freiwillig stellte Tuchel die linke Seite um, dies war aber auch notwendig – schließlich strahlte Arsenal im Hinspiel primär Gefahr über Bukayo Saka und Ben White aus, die Gnabry und Davies immer wieder überforderten.
Das Spiel begann eigentlich ähnlich wie das Hinspiel: Arsenal versuchte den Ball zu dominieren, Bayern versuchte diesen aus den gefährlichen Räumen fernzuhalten. Um die eigene Fehleranfälligkeit zu reduzieren, ließ Arteta White im Aufbau deutlich tiefer stehen. Dieser bildete einen Dreieraufbau mit Saliba und Gabriel, was letzterem erlaubte, weiter auf die linke Außenbahn zu schieben. Dadurch war dieser in weniger gefährlichen Zonen am Ball und das Risiko durch situatives Pressing überrumpelt zu werden, verringerte sich im Vergleich zum Hinspiel. Vor der Abwehr positionierten sich Jorginho und wahlweise Rice oder Tomiyasu sehr eng. Bayerns aus drei Spielern bestehende erste Pressinglinie war gezwungen, sehr eng zu stehen und zu verhindern, dass Arsenal durch das Zentrum aufbauen kann. Auch das führte dazu, dass Gabriel immer wieder frei im Spielaufbau war und den Ball auf Arsenals linke Offensivseite verlagern konnte. Es mag zu Artetas Plan gehört haben, vermehrt über Links in die gegnerische Hälfte vorzudringen, um dann durch schnelle Seitenverlagerungen Saka in die Eins-gegen-Eins Duelle zu schicken. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Guerreiro und Laimer die Passwege auf Arsenals rechter Außenbahn konzentriert zustellten und Arsenals Idee nur selten aufging. In den ersten zehn Minuten schafften die Gunners es ein Mal Saka zu isolieren, was direkt in einem gefährlichen Lauf in den Strafraum resultierte, nachdem dieser Mazraoui hinter sich gelassen hatte. Über die linke Seite konnte Arsenal selten Gefahr ausstrahlen, da Bayern Martinelli eigentlich immer den Weg nach innen versperrte. Auch Ödegaard wurde durch eine enge Deckung weitestgehend aus dem Spiel genommen und gezwungen, auf die für Arsenal kaum zu erreichenden Räume auf dem rechten Flügel auszuweichen. Schaffte Arsenal es, ihn zwischen den Linien im rechten Halbraum anzuspielen, ergaben sich seltene, dynamische Angriffsmomente.
Ein ebenfalls auffälliges Mittel waren Arsenals Versuche, durch das Zustellen von Kimmich und de Ligt, den FCB im Aufbau auf Dier und Mazraoui zu lenken. Strukturell funktionierte dies auch ausgezeichnet. Da Bayern es aber unbedingt versuchte zu vermeiden, in diese Pressingfalle zu spielen, versuchten sie es dennoch über die eigene rechte Seite. Das Resultat waren viele ungenaue Pässe ins Seitenaus, oder lange Bälle von Neuer in Richtung Sané. Letztere wurden allerdings von Tomiyasu wegen seines guten Timings häufig abgefangen.
Bayern hingegen versuchte immer wieder davon zu profitieren, dass sie Arsenals gesamte Mannschaft weit in ihre eigene Hälfte lockten. Nach Ballgewinnen in der eigenen Hälfte versuchte Tuchels Mannschaft immer wieder über Musiala und Sané mit Dynamik auf Arsenals Box zu attackieren. Diese Versuche endeten in der ersten Halbzeit dennoch vorwiegend noch davor. Bayerns Konter wirkten dennoch gefährlicher und endeten häufig immerhin in Ecken als Folge von Weitschüssen und gescheiterten Flanken. Tomiyasu und Martinelli schafften es zusammen Sané deutlich besser als im Hinspiel zu neutralisieren. Die Räume, die Sané durch die Gegnerbindung kreierte, wurden allerdings immer wieder von Kimmich genutzt. Dieser konnte durch kluge Steckpässe und Flanken viel Gefahr erzeugen.
Nach einer sehr verfahrenen ersten Hälfte begann die Zweite mit deutlich größerer Wucht. Direkt nach dem Anstoß kam Ödegaard zu einer Chance, danach übernahmen die Bayern allerdings immer mehr die Kontrolle. Sie forcierten die Angriffe über den häufig ungedeckten Kimmich immer mehr und dadurch, dass Goretzka aggressiv die Box belief, konnte Bayern Arsenal immer wieder vor Zuordnungsprobleme stellen. Vor dem 1:0 in der 63. Minute setze sich Sané einmal gegen Martinelli und Tomiyasu durch und konnte von der Grundlinie auf Guerreiro flanken. Arsenal übersah den frei stehenden Kimmich völlig und ließ ihm den Raum, in den Strafraum einzudringen. Mit Leichtigkeit konnte er die präzise Flanke von Guerreiro verwerten.
Infolge des Rückstands war Arsenal der Schock eindeutig anzumerken. Die vorher über beide Spielen entfaltete Dominanz im Kampf um die zweiten Bälle ging verloren und das Passspiel wurde immer hektischer, was dementsprechend auch zu mehr Umschaltsituationen und damit mehr Chancen für den FC Bayern führte. Arteta wechselte fünf Minuten nach dem Rückstand Trossard und Jesus ein. Erster ist eiskalt vor dem Tor, letzterer kann mit seinen Dribblingfähigkeiten auf engstem Raum immer wieder Räume und Chancen kreieren. Im Hinspiel besorgte derselbe Doppelwechsel noch den Ausgleich, in diesem Spiel fassten beide – genau wie die ganze Mannschaft – keinen Fuß mehr. Dass Havertz zurück ins zentrale Mittelfeld (als Folge des Wechsels) gezogen wurde, zerstörte Arsenals Möglichkeiten den Ball überhaupt ins letzte Drittel zu bringen. Mit der Abgeklärtheit einer Mannschaft, der man ansieht, dass sie nicht zum ersten Mal in einem solchen Spiel steht, schaffte der FC Bayern es, das Ergebnis über die Zeit zu bringen und war viel näher am 2:0 als Arsenal am Ausgleich. In der Gesamtbetrachtung stehen sie damit verdient im Halbfinale gegen Real Madrid, während Arsenal an einem Spiel wie diesem wachsen muss, um es im kommenden Jahr besser zu machen.
Spieler des Spiels – Joshua Kimmich
Kimmich zeigte auch über das von ihm erzielte, entscheidende Tor hinaus eine sehr starke Leistung. Defensiv ließ er kaum etwas anbrennen und schaffte es Martinelli weitestgehend aus dem Spiel zu nehmen. Offensiv war er Bayerns größte Waffe. Immer wieder bot er sich in den von Sané geöffneten Räumen an und war, vorrangig durch seine Pässe, Bayerns wichtigster Ballprogressor in dieser Begegnung. Darüber hinaus spielte er einige intelligente Pässe in die Box und leitete so Chancen für den FC Bayern ein.